Basislager – 29.04.2015
29.04.2015

Zurück im Basislager. Zuerst hat der Veranstalter die Expedition für abgebrochen erklärt. Jetzt haben auch die Chinesen die Besteigung des Everest verboten. Ich komme nachhause. So ist das Leben. Und wie lächerlich ist meine Enttäuschung gegen das Leid derer, die von derselben Ursache ihrer so ungleich wichtigeren Güter und geliebten Menschen beraubt.

Ende des Blogs.


 
ABC (Vorgeschobenes Basislager auf 6400 m) – Nordseite des Everest – 28.04.2015 10:55 Uhr – 4. Tag
28.04.2015

Obwohl der geschehenen Katastrophe örtlich so nahe, haben uns hier erst dieser Stunden die Nachrichten erreicht, die uns das ganze Ausmaß des Erdbebens vor Augen führen.

Das wirft zweierlei Fragen auf:
1. Ist die Fortsetzung des Versuchs der Besteigung des Everest, von dessen Gipfel man in das Krisengebiet direkten Blick haben wird, eine kaltschnäuzige, gegen das sich ereignende Leid zynisch-gleichgültige Tat?
2. Ist die Fortsetzung des Versuchs der Besteigung des Everest eine in eigener Sache über die Maßen fahrlässige Tat, da Gesteins- und Eisstrukturen in Unruhe geraten und durch Nachbeben noch labiler werden könnten?

Zur Frage 1:
Dass niemand, in dessen Brust ein einfühlsames Herz schlägt, die Frage 1 leichtfertig verneinend beantworten wird, dürfte klar sein. Es beschäftigt die Frage hier alle. Und auch ich stelle sie mir mit bangen Gefühlen. Mein Gefühlsverstand sagt mir indes das Folgende: Ein Abbrechen meines naturgemäß lusthaft-sinnlosen Vorhabens rettet aber auch nicht ein einziges Leben und verbessert auch nicht eines einzigen Betroffenen Lage. Und umgekehrt schadet die Fortsetzung meines Vorhabens niemanden im Geringsten. Die Dinge verhalten sich vielmehr bei näherer Betrachtung als zwiespältiger: Natürlich wurde in unserer Expedition sogleich Umfrage danach gehalten, wie denn die Sherpas über den Fall denken. Alle Teilnehmer, die über eine Satellitentelefon verfügen, so auch ich, haben diese Telefone zur Verfügung gestellt, damit die Leute nach Möglichkeit ihre betroffenen Angehörigen und Lieben erreichen können. Ein einziger Sherpa bat danach um Dispens, um zu den Seinen zu eilen, welche Entpflichtung denn auch sogleich gewährt wurde. Es handelt sich übrigens um einen Sherpa, der bereits 14 mal auf dem Everest gestanden ist und der daher ein hier sehr wohlhabender Mann ist, dessen 3 Zinshäuser offenbar Schaden genommen haben. Alle anderen Sherpa befürworteten eine Fortsetzung der Expedition ausdrücklich, da sie mit dem dabei verdienten Geld zuhause besser helfen werden können als mit ihren zwar starken, aber geldleeren Händen jetzt. Der mir zugeteilte Sherpa wird von mir, gleichviel ob wir den Gipfel erreichen, eine Prämie von mehreren Tausend Dollar erhalten. Das ist für ihn ein kleines Vermögen und für mich auch sauer verdientes Geld. Zwischenergebnis: Wir sind hier keine Zyniker, die gleichgültig gegen das Leid anderen ihren luxuriösen Bedürfnissen nachgehen.

Die Traurigkeit einer Katastrophe nimmt mit ihrer geographischen Nähe (anders als es die Medien zu suggerieren trachten) nicht zu. Traurig wäre es nur, wenn wir Bergsteiger Abhilfen, die in unserer Macht stehen, nicht gäben. Eine Hinreise nach Kathmandu durch uns würde gegenwärtig aber die durch Beschädigung ohnedies schon überlastete Infrastruktur nur noch mehr verstauen. Und selbst wenn wir (nach vielen Tagen) hinkämen: An wen in dem Chaos wenden? Und womit helfen? Wer einmal in Kathmandu war, der weiß, dass man dort nicht  – mir nichts, dir nichts – an die richtige Stelle gelangt. Ich bin der Ausbildung nach Rechtsanwalt und kann weder Häuser wieder aufbauen noch medizinische Leistungen erbringen.
Fazit für mich: Nur weil ich gegenwärtig näher an der Katastrophe weile, bin ich nicht verpflichteter als der in seiner Heimat befindliche Europäer.
Ich meine also, dass es beileibe keine Untat ist, in den kommenden Wochen den Everest zu besteigen zu versuchen, obwohl sich in Nepal ein verheerendes Erdbeben ereignet hat. Allein meine Bezahlung der Sherpa ist schon ein Beitrag für sich. Dass ich es an darüber hinausgehender Spendabilität nicht werde missen lassen, versteht sich von selbst.

Zur Frage 2:
Peking wird dieser Stunden entscheiden, ob es die Besteigung in diesem Jahr überhaupt noch zulasse. Ich gehe davon aus, dass sich die Beantwortung der Frage demnächst erübrigen werde, da die Seismologen von starken Nachbeben ausgehen. Es wird dies Abenteuer also wohl schon bald hieran scheitern.


 
ABC – 27.04.2015 13:00 Uhr, 3. Tag
27.04.2015

Danke, Patrick Hackl für die Informationen über die drastische Lage im Süden, zu denen wir alle hier mangels Browser-Internetzes ohne Deine Rundschau keinen Zugang hätten. Mein Sat-Telephon hat auch keinen Saft mehr.
Ich bin völlig wohlbehalten und in sehr geringer Gefahr im ABC auf der Nordseite. Die Erde hat schon mehr als 24 Stunden nicht mehr gebebt. Die Chinesen werden dieser Tage entscheiden, ob die Besteigung des Everest zulässig. Verneinendenfalls komme ich (auf welchem Wege immer) nachhause.

Die Akklimatisation macht übrigens wieder Fortschritte. Verhaltener Appetit und Durchschlafen sind zu melden. Deshalb meine Entscheidung dazu, im ABC zu verbleiben.


 
ABC – 26.04.2015, 14:00 Uhr, 2. Tag
26.04.2015

Auf der Nordseite wackelt die Erde zwischendurch immer noch. Und jedesmal müssen wir (durchsickernden Informationen zufolge) ahnen, dass wieder Menschen gestorben sind. Wir aber sind wohlauf. Die Familie meines Sherpas Lala scheint Gott sei Dank gar nicht betroffen. Auch sonst keine Todesopfer unter den Angehörigen der Sherpas unserer Expedition.
Natürlich, machen wir uns nichts vor, ist die Gefahr von Eisbruch und Steinschlag am Berg gestiegen. Würde doch gehörig durchgeschüttelt.
Abbruch der Expedition aus Pietät erschiene mir indes falsch verstanden. Wenn sich in Südamerika ein Erdbeben ereignet hätte, wäre es auch nicht weniger tragisch.
Die Expeditionen vom Süden angeblich alle bereits abgebrochen, da dort Todesopfer am Everest und auch unter der Zivilbevölkerung des Khumbu.


 
ABC (Vorgeschobenes Basislager, 6400 m) – 25.04.2015, 1. Tag
25.04.2015

Everest hüllt sich in Wolken. Anmarsch in 2 Tagen über das Zwischenlager. Dennoch erheblicher Bedarf zur Hyperventilation. Schwächung der Leistungsfähigkeit immer wieder frappant, wenn in solche Höhen vordringend. Bedeutendes Erlebnis der Schwäche. Möchte es nicht missen, mehr noch: Suche es begierig, weil ungleich tiefer gehend als jede Schwächung im Flachlandsport. Auch Kälteempfindlichkeit, sobald bewegungslos, quälend.
Die Nacht zwar ohne nennenswerte Kopfschmerzen, aber von vexatorischen Träumen Stunde um Stunde geweckt. Urinieren in die Flasche, nicht ohne Erstickungsgefühlen wegen der Anstrengung durch die bloße Aufrichtung im Zelt. Dabei höchste Konzentration, damit nichts daneben gehe. Harn tief gelb. Das sollte nicht sein. Hellgelb bis weiß wäre wünschenswert, da Indikator für ausreichende Bewässerung des Körpers. Morgens dann alles gefroren. Entleerung der Flasche erst nach Auftauen möglich.
Appetit auf feste Nahrung und auf Flüssigkeit geht gegen Null. Trinke trotz offensichtlicher Unterwässerung zu wenig.
Höhenhusten durch starke Einatmung der kalten und trockenen Luft eingetreten. Ebenso lästige wie im Grunde harmlose Symptomatik.
Heute um 11:55 Uhr hat der Everest anständig gewackelt. Und mit ihm unsere Zelte. Dem Vernehmen nach schweres Erdbeben mit Epizentrum bei Kathmandu. Einige Nachbeben bemerkbar. Sherpas schwer beunruhigt. Hoffentlich möglichst geringe Menschenopfer. Auswirkungen auf die Expedition werden dieser Tage zu klären sein. Vermute jedenfalls, dass die Südseite damit einmal mehr versperrt, da sich niemand durch den Khumbu-Eisbruch wagen dürfte, wo letztes Jahr ein starkes Dutzend an Sherpas ihr Leben lassen mussten. Der nun wohl auch gehörig durchgerüttelt und damit noch weniger vertrauenswürdig.
Heute von Kari Kobler übrigens mein persönlicher Sherpa, Lala Sherpa, vorgestellt. Sehr sympathischer Habitus. Spricht (so wie ich) passables Englisch. Werde dieser Tage mit ihm an der Strategie feilen. Beabsichtige, ihn dazu anzuhalten, mich ab 8300 m halbstündlich mit von mir vorbereiteten geistigen Übungen zu konfrontieren, um so meinen Zustand zu überprüfen. Weiters Instruktion in die allenfalls notwendig werdenden intramuskulären Injektionen und oralen Verabreichungen bei Ödemen in Hirn oder Lunge.
Fazit: Zur Stunde nicht einmal dazu in der Lage, den Nordsattel zu erklimmen. Aber solche Tiefs gehören zum Höhenbergsteigen. Man muss sich vergegenwärtigen, dass wir hier auf 6400 m über den Meeren weilen. Das ist höher als der McKinley und fast so hoch die der Aconcagua.
Hoffe, schon in einigen Tagen wieder bei Kräften zu sein.
Ergibt das alles Sinn? Für mich schon. Ich will zurückgeworfen sein auf diese existentielle Not. Denn sie erzeugt Geschichten, die erzählenswert.

Weitere News der Expedition:
http://www.kobler-partner.ch/

https://www.kobler-partner.ch/de/reisebericht/anreise-ins-basislager-everest-nord-expedition-2015


 
Basislager (20.-23.04.2015 – 6. bis 9. Tag)
23.04.2015

Wetter durchgehend heiter bis wolkenlos – Wind, der in dieser Höhe stets als eisig empfunden.
Daher Aufenthalt vorzugsweise im Messezelt, wo es aber drückend heiß wegen der Sonneneinstrahlung. Ja, auch das ist Everest: Hitze bis zu gut und gerne 35 Grad Celsius.
Abtritt wieder kontrolliert und einigermaßen feststofflich. (Solche Information ist dem Leser zuzumuten, da ihr Gegenstand von eminenter Wichtigkeit auf einer solchen Expedition.)
Zur Akklimatisierung Aufstieg auf einen der angrenzenden Idiotenhügel, will sagen: einen Berg von 6050 m Höhe, der hier aber nicht einmal einen Namen trägt. Gut verlaufen, konnte mit den anderen problemlos mithalten. Die Achillessehne wird in den schweren Expeditionsschuhen anscheinend nicht an ihrer verletzten Stelle belastet. Auch die Kraft ist wieder einigermaßen hergestellt nach dem Infekt des gastrischen Systems, der mit breitbändigem Antibiotikum bekämpft. Das ist Feldlazarettsmedizin: Ohne viel Diagnostik wird voll geschossen, auch wenn eine bakterielle Infektion gar nicht erwiesen. Jedenfalls Wiederherstellung recht schleunig erreicht.
Heute Verlegung ins ABC auf 6400 m. Eine Nächtigung halbwegs im sogenannten Intermediate Camp. Hier beginnt nun der Everest im eigentlichen Sinne. Denn jenseits von 5300 m beginnt der Körper sich selbst aufzufressen. 2011 habe ich mich in höheren Lagen geradezu verzehrt (nach Jomolungma :-)).
Vom ABC Besteigung des Lakpa Ri (7120 m) und des Nordsattels des Everest (7000 m) geplant, wenn Wetter es zulasse. Ich persönlich hoffe auf Aufstieg sogar zum Lager 2 auf 7700 m und Nächtigung dort. Meine Aufstiegszeit dorthin und die Güte des Schlafs dortselbst nämlich sehr aussagekräftig für alles Weitere. Im ABC wird mir auch mein persönlicher Sherpa vorgestellt, mit dem bestes Einvernehmen, wenn nicht gar freundschaftliche Beziehung anzustreben. Der Mann wird unter mir leiden.
Da bergan nun so gut wie keine Internetverbindung, wird hier nun voraussichtlich für 10 Tage nichts veröffentlicht.


 
Basislager (16.-19.04.2015 – 2. bis 5. Tag)
19.04.2015

Wetter wechselhaft. Schneefall und Sonnenschein einander abwechselnd. Everest überwiegend in Wolken gehüllt, wenn aber sichtbar, dann in Prächten.
Am 16.04. Besuch von Ralf Dujmovic mitsamt kanadischer Begleiterin bei uns im Lager. Dujmovic war lange Jahre der Ehemann von Gerlinde Kaltenbrunner. Hat alle 14 Achttausender bestiegen, davon 13 ohne Sauerstoff. Einzig am Everest schon mehrfach ohne Sauerstoff gescheitert. Will es mit seiner kanadischen Begleiterin ein weiteres Mal probieren. Seiner Meinung nach ist die Kälte das größte Problem für die Sauerstofflosen. Will interessanterweise im Lager 3 (auf 8.300 m) nochmals rasten, wie es auch Kaltenbrunner getan. Hierüber große Auffassungsunterschiede unter den Interessierten. Nach Meinung mancher sollte man vom Lager 2 auf 7.800 m in einem Gang zum Gipfel. Wie auch immer: Für mich maskierten Touristen ist das nur graue Theorie. Aber spannend ist es allemal, solche Leute zu interviewen.
In der Nacht auf gestern unter erheblicher Übelkeit erwacht. Lauf zum Toilettenzelt. Dort Erbrechen und flüssiger Abtritt – zeitgleich. Das Ganze dann noch ein halbes Dutzend Mal in dieser Nacht. Gestriger Tag auf dem Krankenlager im Zelt. Völlig geschwächt und Unmöglichkeit der Zufuhr von Nahrung oder anderer Flüssigkeit als Wasser. Dabei Fieber und Gliederschmerzen sowie stark erhöhter Puls und Bedürfnis zur Hyperventilation. Auf dieser Höhe hat der Körper anständig zu tun mit derlei zusätzlichen Angriffen auf ihn. Der Zwischenfall muss wohl seine Herkunft von der Nahrung gehabt haben, da ansonsten geradezu peinliche (ja neurotische) Reinlichkeit unter Anwendung von Sterilium nach jedem Griff auf potentielle überträger.
Heute Fieber wieder vergangen, aber noch schwache Verfassung. 2011 von diesem Phänomen kurz vor dem anberaumten Gipfelsturm betroffen, der dann zu verschieben war. Josef Uitz, der Selbstlose, zwang mich ins Basislager zurück. Frühester Gipfeltag von Kobler seit Anbeginn seiner Expeditionen war jeweils der 16. Mai. Nehme daher vorlieb mit der so frühen Absolvierung dieser für mich offenbar unvermeidlichen Erkrankung.
Übrigens geradezu liebevolle Betreuung des Darniederliegenden durch Kari Kobler.
Für die notorisch überbesorgten unter den Lesern dieses Blogs: Kein Grund zur Beunruhigung. Der Everest ist eben kein Spaziergang, und es ist nahezu unmöglich, durchwegs gesund zu bleiben. Seid froh, dass das Vorkommnis so früh sich ereignet. 🙂
Andy Holzer, der  – obzwar augenlichtlose – menschlich so hellsichtige Bergsteiger war schon zwei Mal zu Besuch. Sympathischstes Gespräch auch mit seinen Begleitern. Umgang mit seiner Einschränkung so vorbildhaft humoristisch. Bewundere und – ja, das auch ein wenig – beneide.

In Hinkunft Tagebucheinträge aus technischen Gründen und denen der Internetfreiheit in den höheren Lagern seltener.


 
Basislager 2. und 3. Tag
17.04.2015

Wegen technischer Probleme kann der Blog erst in den kommenden Tagen fortgeführt werden. Ich lebe und erfreue mich bester Gesundheit. 


 
Basislager – Ankunft
15.04.2015

15.04.2015 – 17:30 (Nepal-Zeit)

Hämmernde Kopfschmerzen in der letzten Nacht im Hotel, aber das kennt man als Höhenbergsteiger. Es wird einige Tage brauchen, bis das vergeht. Tagsüber dann keinerlei Beschwerden.

Jeepfahrt über Tingri ins Basislager. Erstes Wiedersehen mit dem Everest aufregend. Habe offenbar das leidenschaftlichste Verhältnis zu dem Berg in der Gruppe (oder zeige es am deutlichsten). Die anderen im Fahrzeug auch interessiert, als ich sie auf den neben dem Cho Oyu ganz unscheinbaren Everest hinweise. Aber regelrechte Glücksgefühle zeigt unverhohlen nur der Dattinger.

Bezug des Lagers, dessen Ausstattung umwerfend. Es gibt sogar ein Unterhaltungszelt, worin auch ein Billardtisch. Kein Scheiß! Gestattet solcher Luxus noch ein Abenteuer? Ja, das tut er. Denn spätestens ab dem Nordsattel auf 7000 m wird der Everest pickelhart, auch wenn man im Basislager gut verköstigt, gewärmt und unterhalten wird.

Meine Entscheidung für Kobler erweist sich als goldrichtig. Meine Hoffnung: Eine höhere Chance darauf, bei geistigen, seelischen und körperlichen Kräften zu bleiben und nicht Wochen lang nichts als Tee schlürfend zu einem Schatten meiner selbst zu werden.

Beim ersten Mittagessen denn auch gleich kräftig zugelangt. Salami und Käse dabei. So etwas war bei Asean Trekking undenkbar.

Mein ehemaliger Zimmergenosse Reinhard Grubhofer nunmehr leider auch erkrankt. Fühlt sich „grippig“. Ich überlasse ihm mein Novalgin. Möge es wirken.

Eindruck von dem Berg hat für mich nichts eingebüßt. Kein Foto kann das wiedergeben. Natürlich das Ideelle stark mitbestimmend. Real ist er zwar ein recht imposanter Berg, mehr aber auch nicht.  Die Tatsache, dass er aber der höchste, für alle, die vor ihn hintreten, bedeutend. Kalt lässt das niemanden hier. Die Tagesbesucher des Basislagers, die also nur kommen, um diesen Berg zu sehen, allesamt entschieden beeindruckt.

In den kommenden Tagen heißt es nun leise treten. Wir sind auf 5.200 m über Meeresniveau. Das muss der Orgasmus..äh…Organismus erst einmal verkraften. In noch größerer Höhe gibt es keine vollständige Anpassung mehr. Die vollständige Akklimatisierung an diese Höhe wird einige Wochen dauern.

Ich darf keinesfalls in den idiotischen Fehler verfallen, mich hier unnötig zu belasten. Lust und Drang zur Bewegung natürlich groß, wie immer bei mir „Sportidioten“ ((c) by A. Szyszkowitz).

Die kommende Nacht wird gewiss wieder Kopfschmerzen bringen. Soll so sein.

Weiter morgen.


 
Chegar (New Tingri) 4350 m
14.04.2015

Lange Fahrt von Shigatse nach Chegar. Hier Bezug eines brauchbaren Hotels, will sagen: Es gibt durchwegs Strom und Wasser, wenn auch kein warmes.

Gleich nach Ankunft kleine Wanderung über 200 Höhenmeter mit Sandalen. Unproblematisch. Beleidigung der Achillsehne schon wieder am Ausklingen. Dürfte also weiterhin keinen Grund zur Sorge geben.

Einem Mitglied der Expedition – dem Deutschen Holger Birnbräuer – ergeht es gegenwärtig wie mir 2011. Er ist verkühlt. Ich fürchte für ihn, dass die Heilung noch geraume Zeit in Anspruch nehmen werde. Die Anpassung an die Höhe und die kalten Nächte geben den Körper genug zu tun. Der Mann hat schon beschlossen, morgen nicht mit ins Basislager auf 5300 m mitzufahren, sondern in Tingri auf 4300 m zu bleiben. Das ist vernünftig. Ich tat es 2011 gleichermaßen, nur hat die vermeintliche Besserung nach 2-3 Tagen sich nach der dann doch angetretenen Fahrt ins Basislager ins Gegenteil verkehrt. Ich fühle mit. Er muss übrigens darauf achten, dass er in Tingri nicht von einem der vielzähligen, räudigen Straßenköter gebissen werde. Das bildet nämlich gar nicht so selten die Notwendigkeit zur Rückreise nach Kathmandu zur akuten Behandlung gegen Tollwut. 

Ich selbst bin gesund. Spüre leichte Kopfschmerzen, habe aber Appetit und trinke frischfröhlich meine Biere.

Dies hier in dem ungeheizten Hotelzimmer bereits in voller Daune mit klamm-kalten Fingern geschrieben. Die Lufttemperatur ist keineswegs sehr tief, aber die Sauerstoffarmut lässt den Körper und vor allem seine Extremitäten abkühlen.

Morgen erstes Wiedersehen mit Jomolungma. Gänsehaut (vor Kälte und Beeindruckung) garantiert. Hoffe, vom Basislager aus, diesen Blog auch mit Lichtbildern versehen zu können, was derzeit aus technischen Gründen versagt.


 
Shigatse (Xigatse)
13.04.2015

Nach dem Frühstück Besichtigung des Klosters von Gyantse. Schließe mich dem versuchsweise an. Finde darin haufenweise Buddhastatuen mit garantiert ausdrucksbefreiten Gesichtern vor. Buddha ist, wie ich behaupten zu dürfen glaube, stets vollständig gesichts- und ausdruckslos dargestellt, sieht man einmal von dem mild-nichtssagenden Lächeln ab, das aber unpersönlich. Vermutlich hat dies eine waaaaaahnsinnig tiefgründig theologische Erklärung, die mir aber bei meinem wirklich guten Willen, Kontakt mit Buddha herzustellen, schlechterdings wenig hilft. Dem Kloster zugehörig ein burgartiges Gebilde. Aufstieg dorthin tut gut. Endlich Bewegung für mich simples Gemüt. Bin gar nicht träge. 

Um das Kloster herum erstreckt sich die Altstadt, die reizvoll. In Wahrheit ein Dorf, worin die Kühe auf der Straße angebunden stehen. Tatsächlich der erste, einigermaßen buchenswerte Kultureindruck für mich in Tibet.

Gyantse war seit jeher Verkehrsknotenpunkt zu Nepal und Indien. Auch George Mallory, der 1924 auf dem Everest umgekommen, machte hier Station. Das waren noch Expeditionen! Habe unlängst gelesen, dass die damals Anfang Jänner in England aufgebrochen sind, um im April am Everest zu sein. Schiffsreise über Suez nach Kalkutta, dann Rekrutierung der Träger und dann hunderte Kilometer nach Tibet im wochenlangen Fußmarsch.

Die Menschen hier übrigens durchwegs über die Maßen freundlich – zumal die Frauen. Da und dort naturgemäß Gestalten, zwischen deren Augen nach meinem Empfinden dunkles Fluchwesen lagert.

Dann Abfahrt nach Shigatse, das die Endstation der Eisenbahn bildet, die die Chinesen nach Tibet gebaut. Shigatse birgt auch ein Kloster mit allerlei Pagoden und einer Stupa. Im aufgefrischten Wissen darum, dass mich darin auch nur die pure Gesichtslosigkeit erwartet, ziehe ich es vor, die Stadt nach ein paar Laufschuhen zu durchsuchen, da ich mir mit den halbhohen Trekkingschuhen eine ärgerliche Druckstelle auf der Achillsehne zugezogen. Gebe Suche aber alsbald auf, da die Nachfrage nach Schuhen in Größe 46 hier nichts als kopfschüttelndes Gelächter auf sich zieht. Werde wohl bis zum Basislager mit meinen Sandalen marschieren, denn die Druckstelle (ohne Hautverletzung, wie Blase) markanter als gedacht. Solche kleinen, lächerlichen Beschwerden werden mir hier stracks zu einem Grund für Nervosität. Hoffentlich bleibt das harmlos. 

Shigatse – nicht anders als Lhasa und Gyantse – ansonsten eine Ansiedlung, deren (mag sein) geschichtliche Tradition von der Moderne gleichsam überfallen. Kein organisches Wachstum. So etwas für das Gesamtbild immer schädlich. Europa, Du hast es besser!

Mir sehr beeindruckend die auf den Feldern arbeitenden Bäurinnen und Bauern, die über keinerlei Maschinen verfügen. Unter ihnen intersanterweise auch die sympathischsten Gesichtsbildungen.

Verpflegung sehr gut. Ich esse recht brav. Das ist Kari Kobler zu danken, der auch für eine Unterbringung sorgt, die (gemessen an den hiesigen Standards) zu belobigen. Wenn die Duschen einigermaßen Warmwasser abgeben, ist man schon zufrieden. Mein Zimmergenosse und Landsmann Reinhard Grubhofer auch ein Glücksfall, da mir sehr angenehm (und, wie ich hoffe, ich ihm auch kein Nachteil).

Morgen Weiterfahrt nach Chegar (oder wie auch immer in lateinischen Lettern zu schreiben). Dort letzte Übernachtung in fester Behausung. Dann Weiterfahrt ins Basislager. Ankunft dort und damit erstes Angesicht des Everest am Jahrestag meiner Geburt. Möge es ein gutes Omen sein.


 
Gyantse
12.04.2015

Schlaf von gestern auf heute mit Unterbrechungen. Auch Albträume darin, deren Inhalt hier nicht wiederzugeben. Heute aber erstaunlich gute Fortschritte bei der Akklimatisierung zu verzeichnen.

Auf nahezu ganztägiger Fahrt von Lhasa nach Gyantse zeitweise eine Seehöhe von knapp 5.000 m erreicht, und dabei durchaus wohl gefühlt. Das stimmt zuversichtlich.

Kuriose Art von Section Control auf normalen Überlandstraßen haben die hier übrigens: Alle 50-100 km ist ein Kontrollpunkt, bei dem der Fahrer mit einem Wisch vorspricht, worauf der Zeitstempel des letzten Kontrollpunkts vermerkt. War man zu schnell, wird angeblich drakonisch gestraft. Zarte Hinweise darauf, dass das System doch leichterhand umgehbar sei (wie von uns durch einige Pausen denn auch gemacht), werden mit lächelndem Kopfnicken unseres Verbindungsoffiziers quittiert.

Das Land ist übrigens reichlich feindlich gegen Social Media und Google. Beides oft gesperrt. Bei Facebook möglicherweise aber eh ein Segen. Aber Googeln wäre hie und da schon praktisch. Unerfreulich, dass auch wordpress.com (über welchen Dienst ich bekanntlich poste) oft ums Verrecken nicht funzt. Hab mir schon eine Sperre der SIM des iPad (worauf ich schreibe, da mit Tastatur die Textproduktion doch ungleich schneller, als am iFön) wegen Erreichens von € 60,- an Gebühren binnen 5 Minuten eingehandelt.

Überhaupt bringt die Idee dieses Blogs leider die Infektion mit der Geißel des Internetz mit sich. Versuchung zur Verfügbarkeit für die wahnwitzige Informationslawine, die uns alle kaputt macht, nicht gering. Nehme mir fest vor, in Hinkunft nur zu bloggen.

Am Abend stellt der Bergführer Richi Bolt (ja, wie der Blitz) seine Überlegungen für die Bergbesteigung selbst vor.

2 Lhasa-Bier sind die tägliche Abenddosis und müssen für die geringe Zufuhr fester Nahrung aufkommen. Muss das zurückschrauben. Erste Appetitzügelung aber eine klare Vorwarnung. Darf nicht aufhören, ordentlich zu kaspeln.

Morgen erster Marsch.


 
Lhasa – Zweiter Tag
11.04.2015

Heute stand die Besichtigung des Potala am Programm. Nach 1/2 Stunde Wartezeit vor dem Eingang hab ich für mein Teil beschlossen, mich von der Gruppe zu entfernen. Bin stattdessen durch Lhasa marschiert und auf einen Hügel (4000 m hoch) an seinem Rand. Von dort gute (wenn auch nicht schöne) Aussicht auf die Stadt und den Potala.

Dann Schlaf im Hotel und Lesung in Murakamis „Gefährlicher Geliebten“. Dabei reichlich Kälte empfunden, obwohl die Lufttemperatur gewiss über +10 Grad Celsius. Die Sauerstoffarmut macht sich bemerkbar. Leichter Kopfdruck auch anhaltend.

Unterbleiben des Besuchs des Potala offenbar kein Verlust. Selbst auf eindringliches Befragen konnte mir am Abend keiner der Reisegesellschaft etwas Handfestes von seinen Eindrücken berichten. Angeblich habe der Führer kaum verständliches Englisch gesprochen. Ich gebe zu: Bösartigkeit war das Motiv für meine Nachfrage, da ich ahnte, dass mir keiner etwas würde sagen können. (Ich empfehle den Essay „Reisen bildet nicht“ von Egon Friedell, der auch eine wunderbar unterhaltende Kulturgeschichte einerseits Griechenlands und andererseits der Neuzeit geschrieben. Von ihm mehr über Griechenland gelernt als auf allen meinen Reisen dorthin.)

Verspüre übrigens einige Opposition gegen die Verklärung des Lamaismus im Vergleich zum Maoismus. Für mich beides bedenklich. Jener eine streng kleriko-aristokratische Gesellschaft, worin Landbevölkerung bis zum Verhungern arm. Vom Maoismus kein Wort. Empfehle daher, den guten Dalai weiter freundlich grinsen zu lassen. Das kann er. Gesellschaftspolitik ist bei ihm vermutlich genauso wenig gut aufgehoben wie bei Mao.

Abends in einem Lokal, worin tibetische Musik zur Darbietung gebracht. Kaum erträglich für unser Ohr. Schön, dass die Welt so reich ist. Und schön, dass man nicht alles lieben muss.

Morgen Weiterreise gen Westen.


 
Lhasa – Ankunft
10.04.2015

Flug von Kathmandu nach Lhasa problemlos, sieht man einmal von einer Verspätung von 5 Stunden ab. Die Hoffnung auf eine freie Sicht auf Jomolungma freilich betrogen. In Wolken gehüllt blieb der Everest. Nur der Manaslu, auch einer der sogenannten Achtausender, zeigte sich prächtig. Seltsam, wenn man in 10.000 Metern Höhe nur knapp 1500 Meter über Berggipfel hinweggleitet.

Ansonsten in meiner Meinung bestärkt, dass man den Himalaya nicht wegen der Landschaft aufzusuchen braucht. DIe Täler sind schlicht 5000-6000 m hoch. Die Gipfel relativ dazu nicht imposanter als jene der Westalpen. Zum Beweis: Steht man im Basislager auf dem Rongbuk-Gletscher auf 5.300 m, sieht man auf den Gipfel des Everest in 8.850 m. Relative Erhebung also 3.550 m. Steht man in Chamonix auf 1.000 m, kann man den (wenngleich runden) Gipfel des Mont Blanc in 4.800 m Höhe sehen. Relative Elevation also sogar 3.800 m. Fazit: Wegen der Landschaft bin ich nicht da (und es braucht ihretwegen meines Erachtens niemand hierherzukommen), sondern wegen der Idee. Der über dem Meeresspiegel höchste Berg der Welt ist schlicht und ergreifend der höchste Berg. Das ist es. Mehr ist nicht dahinter.

Spüre übrigens die Höhe in Lhasa (3.500 m) doch deutlich. Hier wird nun zwei Nächte akklimatisiert. Natürlich besichtigt man den Potala, an dem heute schon zwischen allerlei Lichtreklame vorbeigefahren. Kann mir nicht helfen: Diese Denkmäler des Ostens bedeuten mir nichts. Natürlich aus Banausie, Ignoranz und Borniertheit. Ich gebe es zu. Aber wozu lügen? Ich stehe vor den antiken Bauten des Abendlandes, vor den Gräbern seiner Protagonisten mit Begeisterung. Denn da komme ich her, da gehöre ich hin. Vor Buddha-Statuen und Klöstern des Hinduismus, des Lamaismus (heißt der so?) oder anderer östlicher Ismen stehe ich mit Gleichgültigkeit, obwohl gewiss von höchster Kulturstufe. Aber: mea res non agitur.

A propos Kultur des Ostens: Muss übrigens wegen eines Wettverlusts gegen einen lieben Freund das bis Sommer 2014 erschienene Gesamtwerk des japanischen Schriftstellers Haruki Murakami lesen. Dies wird meine zweite Aufgabe hier, und ich bin nicht sicher, ob sie nicht diejenige der Bergbesteigung an Mühen übertreffen werde… Plane die Lektüre übrigens ohne Zuhilfenahme künstlichen Sauerstoffs – sehr gewagt! Gestern das 1000 Seiten schmale Büchlein des bewussten Autors mit dem ebenso schönen wie vielsagenden Titel  „1Q84“ (sic!) zu Ende gelesen. Bedingte Empfehlung: Wer es gerne mystisch und mit einiger träumerischer Ungenauigkeit der Gedanken hat, dem kann man dies Buch empfehlen.  Wende mich jetzt Harukis (ich duze ihn insgeheim schon!) Büchlein „Gefährliche Geliebte“ zu, das man als Literaturinteressierter übrigens durchaus kennen darf. Denn seinetwegen kriegten sich die Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki und Sigrid Löffler in der besten je im deutschen Sprachraum ausgestrahlten Talk-Show-Reihe, dem Literarischen Quartett, dermaßen in die Haare, dass Frau Löffler aus der Sendung ausschied. Will man sich anständig an der unschönen Szene fremdschämen, guckst Du: youtube („literarisches quartett“ + murakami“)!

Stelle fest, dass mein heutiger Eintrag ins Tagebuch thematisch abundant geworden. Wurscht wegen dem! Wird vermutlich noch öfter passieren. Dies zur Vorwarnung.

Weil übrigens meine Frisur schon sehr treffend kommentiert wurde. Die wird in den kommenden Wochen noch schauerlichere Formen annehmen. Ich hoffe, Bilder uploaden zu können.


 
Kathmandu: Das Vorher-Foto
10.04.2015

Der Everest lässt altern und zehrt aus, bis man gar nur noch ein halbes Lot wiegt. Zum Glück ist der Dattinger gut im Futter.

Zur schonungslosen Dokumentation dieses Prozesses hier ein letztes Selbstportrait des Dattingers vor dem Abflug nach Lhasa:  
 

 Das Nachher-Foto folgt Anfang Juni. 🙂


 
Kathmandu oder: Graffel-Graffel-Cha-Cha-Cha
09.04.2015

09.04.2015 22:00 Uhr – Trossgepäck heute morgen auf den Landweg zum Basislager aufgegeben. Knifflige Überlegungen darüber, was man am Mann tragen und was man verschicken solle. Denn die Busanreise zum Basislager (ja, da fährt man mit dem Auto auf 5.300 m vor) von Lhasa, wohin wir morgen mit irgendeinem Rübenbomber fliegen, kann auch ihre Tücken haben. Tollwütige Hunde und kalte Nächte in schleißigen Quartieren sind meine Erinnerung. Aber Kari Kobler (der Expeditionsleiter) versichert brauchbare Unterbringung. Der Flug morgen geht genau über den Everest. Mit ein wenig Glück gibt das ein Panorama. Spannung, wie die Einreise in das wunderbare Reich der Mitte wird, wo jährlich über 4000 Menschen von Staats wegen zu Tode gebracht werden. Bei meiner Einreise im Jahre 2011 hat man allen Ernstes einen Band der gesammelten Lyrik von Goethe Blatt für Blatt nach etwaiger Eignung zur Konterrevolution durchsucht. Man ließ mich trotzdem durch, weil kein Konterfei des Dalai Lama darin. Wenn die erahnt hätten, WIE konterrevolutionär dieser Goethe ist?!? Da ist der gute Dalai ein Schaß dagegen! 🙂 

Letzte Einkäufe. Darunter, da kein Alkohol bekanntlich auch keine Lösung ist, Chivas Regal. Unter dessen Einfluss dies hier notiert.


 
Kathmandu oder: The Blog out of the Smog! 
08.04.2015

08.04.2015 11:45 Uhr: Ankunft in Kathmandu (übrigens nach langem Kreisen über dem Flughafen). Verfrachtung ins Ghetto des Hyatt Regency Hotel, das nichts zu wünschen übrig lässt. Nanu? Ist der Dattinger unversehens zum Luxus- und Galanteriereisenden geworden? Nein, aber vor vier Jahren hatte ich mir beim Trekking in Nepal einen bronchialen Katarrh zugezogen, der in dem Smog von Kathmandu und dann bei der Busreise in immer höhere und kältere (weil unbeheizte) Behausungen nicht und nicht heilen wollte. Ich bleibe daher dieses Mal bewussst im Hotelkomplex. Weniger ist mehr. Kathmandu interessiert mich nicht mehr, da ich es schon einmal gesehen. Was ist es? Ein Abbild dessen, unter welchen Bedingungen der Gutteil der Menschheit lebt und auch nicht unglücklicher ist als wir in unserer Hygiene. Der Mensch ist zäh und baut sich auch im größten Drecksloch eine Stätte, die er sein Heim nennt. Von der Kultur dieser Menschen verstehe ich nichts und gestatte mir, sie in völliger Unkenntnis ihrer Bewandtnisse von ganzem Herzen und mit Sympathie gelten zu lassen. Mein Teil ist das Abendland. Und meine Moral ist von meinem Ringen mit dem Gott der Christenheit um Vertrauen in ihn zur Genüge beansprucht. Denn er, dieser Gott Zebaoth, ist so undeutlich und ich gedenke seiner mit Schrecken. So viel zu meinen religiösen Anfechtungen und meiner Kulturignoranz. 🙂 Im Übrigen aber scheint hier die Sonne. Die mich mehrheitlich umgebenden Schweizer sind mit ihrem Idiom kaum weniger undeutlich als der Jahwe des neuen Bundes und sie machen keine Konzessionen im Sprachumgang. Und ich, ich bin sehnsüchtig nach Jomolungma, that is gonna take away my breath once again.  


 
08.04.2015 Doha (Qatar) – Abschied
07.04.2015

Heute Zusammentritt der ganzen Familie auf dem Flughafen Thalerhof. Schwerer Abschied. Erstmals in meinem Leben. Vor den Eltern nie Schuldgefühle gehabt, obwohl diese natürlich auch über all die Jahre des Abenteuerns in großer, stets verständnisvoller Not wegen ihres Sorgenkinds des Lebens. Ihrerseits noch kinderlose Kinder sind reichlich gleichgültig gegen elterliche Sorgen. Die Tränen von Uli aber taten weh. Auch Kathi sichtlich irritiert über das Weinen ihrer Mama. Bange Erdgefühle noch über den ganzen Flug. Gestern noch mit Sepp Uitz telephoniert, der wegen Rachenentzündung im Krankenlager. Sehr berührende, natürlich männlich spröde Sorge von dem alten Freund empfangen. Erörterung des Falls Gianni Goltz (44), der – übrigens mit Kobler – 2008 am Everest ohne Sauerstoff. Beim Abstieg tot umgefallen. Große Verängstigung. Zweiter Anruf wenige Minuten nach dem ersten von ihm. „Nimm den scheiß Sauerstoff-Zutz!“ Er hat recht. Ertränke erste Sehnsucht mit Alkhohol, den es hier gibt, und schreibe dies hier nieder.



 
DattiSports – THE JOMOLUNGMA-DIARIES
07.03.2015

VORSATZ

Der (zweite) Versuch der Besteigung des Mount Everest wird von 07.04.-03.06.2015 stattfinden.

Soweit Internetverbindung besteht, werde ich hier von meinen Erlebnissen berichten. Diese Texte sollen sprechen zu den allenfalls sogar leidenschaftlich mitfiebernden wie auch den schuldig sprechend, ablehnenden Lesern, jedenfalls also zu Interessierten.

Nicht werden sich diese Texte einer anhaltenden Verfolgung durch die bloß verständnislos Abwinkenden versehen können. Diese Uninteressierten können also schon von dieser Stelle aus woanders hin weiterblättern in die Weiten des unergründlichen Internetz, das niemand mehr abteufen kann und wo sich bekanntlich für jedes Tierchen ein Pläsierchen findet.