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 THE 

JOMOLUNGMA-PROJECT

HEADING FOR THE TOP OF THE WORLD

 

     Wenigstens in einem Punkte halten wir von DattiSports es ganz mit dem Neuseeländer Rob Hall, der seinerzeit auf eine Journalistenfrage lapidar geantwortet haben soll: Der einzige Grund, JOMOLUNGMA zu besteigen, ist die Tatsache, dass sie da ist. Das war gut gesagt.

Dass JOMOLUNGMA in der Sprache, aus welcher der Begriff stammt, ein genuin weibliches Wesen vorstellt, trifft sich gut: Denn die von Rob Hall so trefflich formulierte Handlungsmaxime (in gewissem Sinne ein sich aus schlichter Entität des Objekts gebärender Besteigungsimperativ) sollte nach unserem Dafürhalten für jedes feminine Geschöpf von Schönheit gelten. Und schön ist sie unzweifelhaft, JOMOLUNGMA, schön hoch.

Wir Westler hingegen, von Natur aus mutterflüchtig, gaben JOMOLUNGMA einen ungleich profaneren Namen, der die soeben verfolgten schwül-romantischen Assoziationen mitnichten zulässt. Pate stehen bei der Namensgebung musste hier ein (gewiss verdienstvoller, sonst aber sexuell, soweit bekannt, kaum bemerkenswerter) britischer Landvermesser des vorigen...nein wir korrigieren...des mittlerweile vorvorigen Jahrhunderts, des neunzehnten.

Unter dessen Familiennamen, der bei einiger Phantasie immerhin auch semantischer Deutung zugänglich ist, wurde JOMOLUNGMA, diese massige Geliebte, weltweit bekannt. Dieser zweite, eigentlich nicht authentische Name fand so viel Verbreitung, dass zuletzt auch die beiden Völker der Heimat JOMOLUNGMAS begannen, ihn zu verwenden. Dieser Name·ist Mount Everest.

Zwischen Lhotse und Nuptse ragt JOMOLUNGMA auf mit tagtäglich einigen Millimetern mehr, drückt doch Indien unvermindert an. Moderne Landvermesser, die gewiss schon über ein wirkungsmächtigeres Instrumentarium verfügen als der alte Lord Everest, maßen zuletzt angeblich schon mehr als 8.850 Meter. Vom Gipfel weg lodert meist ein seltsamer Schweif: er ist verblasenes Eis. Hochatmosphärische Winde mit einer Geschwindigkeit von bis zu 300 Kilometern je Stunde (der sog "Jetstream"), denen sonst nur Flugzeuge ausgesetzt sind, jagen beinahe ständig über den Gipfel und können einen "wind-chill" - das ist die vom Körper wahrgenommene (von der Lufttemperatur allerdings abweichende) Kälte - von bis zu 80° Celsius unter Null erzeugen.

Ansonsten bedroht JOMOLUNGMA ihre Bezwinger gemeinhin mit Absturz, Steinschlag, Lawinen, Erfrierungen, Höhenkrankheit, Hirn- und Lungenödemen und derlei kurzweiligem Thrill mehr, oder, wenn sie geruht, den Sozialversicherungsträgern gnädig zu sein, kurzerhand mit dem Tod.

Belagert will sie werden, wie jedes Weib. Gut sechs Wochen. Vorher lässt sie keinen hinauf, der nicht augenblicklich den verschiedenen Formen der Höhenkrankheit erliegen will.

Und sauteuer ist sie, auch hierin eine echte Frau. Die Mindestkosten je Expeditionsteilnehmer sind mit öS 200.000,- aufwärts zu veranschlagen. Diesfalls trägt man freilich sämtliches eigenes Geraffel selbst zu den einzelnen Lagern. Und ortskundige Führer wird man solcherart auch nicht viele zu Gesicht bekommen. Will man sich aber von Sherpas ein wenig entlasten und von erfahrenen Himalayakennern führen lassen, beläuft sich der Preis für das Vergnügen alsbald schon auf mehr als öS 500.000,-.

Nun werden gewiss auch Sie, werter Leser, sich denken, dass es verrückt sei, dort hinauf zu wollen. Damit dürften Sie verdammt Recht haben. Und doch möchten wir an die eingangs zitierten Worte Rob Halls erinnern: Der Everest ist da. Er ist der höchste Berg der Erde. Dies und nur dies ist uns von DattiSports Grund genug, diesen merkwürdigen Reiz zu verspüren, der auch andere die Flanken des Bergs hinantreibt.

Drei von uns bekennen sich schon heute zu diesem Reiz, und es sind nicht die schlechtesten. Ein adoleszenter Traum bleibt es vorerst ohnehin. Kommt Zeit, kommt Rat, kommt Geld.

Rob Hall ist übrigens in der Nacht auf den 11. Mai 1997 gestorben. Woran? Das lässt sich schwer sagen, weil keiner Augenzeuge ward. Der Ort seines Todes ist aber klar: Er lag unmittelbar über dem sogenannten Hillary-Step, auf dem Gipfelgrat des Everest, auf etwa 8.500 Metern über dem Meer. Rob Halls gut konservierte Überreste liegen immer noch dort und grüßen mahnend die Passanten. Es ist das höchste Grab der Welt. Wir aber fragen: Wäre dort bestattet zu sein, ein gar so schrecklich Ende? Oder ist doch dem langsamen Absabbern in irgendeinem Altersheim der Vorzug zu geben?

Was für ein Berg!

Graz, am 11. April 2000

Kurt Dattinger eh.

 

Erratum: Der ganze Text beruht übrigens auf einem peinlichen Irrtum. Die Frage eines Journalisten "Why do you want to climb Mount Everest?" war nicht an Rob Hall, sondern vielmehr - viele Jahrzehnte früher - an den Engländer George Leigh Mallory gerichtet worden. Und jener war es, der lakonisch bloß antwortete: "Because it's there." Im Übrigen aber ähneln sich die Schicksale von Mr. Hall und Mr. Mallory. Denn auch Mallory kam auf dem Everest am 08. oder 09. Juni 1924 zu Tode.

Buchtipp: John Krakauer, In eisige Höhen (1997)

Beitrag nochmals vollständig durchgesehen im Dezember 2007. Lesen Sie das geschichtlich authentische Dokument hier!