DattiSports - DattiSports

  THE 

IRON ASS

NON-STOP-LANGSTRECKEN-HAXELN-FÜR-DILETTANTEN

29./30. August 2002

GRAZ - MONACO WITHIN 36 HOURS

 

"Im Anfang war das Wort"

Kurt Dattinger im Gespräch

(geführt von Clemens Strauss)

CS: "Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar..“ Jedenfalls nach Meinung Ingeborg Bachmanns. Ob das für die derart postulierende Dichterin auch in eigenen Angelegenheiten galt, darf freilich bezweifelt werden, ist sie doch, ganz verwundbares Mädchen, an der Zumutung des Lebens, ihres Lebens, letztlich zerbrochen. Soviel zur Zumutbarkeit von Wahrheit. Ist sie Ihnen zumutbar, die Wahrheit, Herr Dattinger?

KD: ... (wirkt abwesend)
 
CS: Herr Dattinger?
 
KD: Was sagten Sie eben? Pardon, ich musste nur gerade wieder an Titten denken.
 
CS: ... Aha. Nun, die Wahrheit, ist sie Ihnen zumutbar?
 
KD: Natürlich!
 
CS: Kurt. Ach, schon Ihr Name ist eine Zumutung. Eine Groteske. Und doch: Es ist Ihnen, Popanz der Lächerlichkeit, gelungen, sich uns Zeitgenossen zuzumuten. Die erstaunliche Nachhaltigkeit dieser Zumutung ist allerdings schleierhaft. Ihre "Hoppla, da bin ich"-Existenz mit ihrem altklugen Spätgepräge von Eigenzitat, Resümee und Selbstauflösung haben Sie uns mit kompromittierender Gründlichkeit aufgedrängt, mit Charme zwar, aber eben doch aufgedrängt. Ja, mit Fortune erschufen Sie mit DattiSports inmitten von vitalen Bedeutsamkeiten einen Mythos von grandioser Belanglosigkeit. Wie das?
 
KD: Die Geschichte der Menstruation, weiß der heutige Konsument aus der aufklärerischen Reklame für Monatsbinden, ist eine Geschichte voller Missverständnisse. Nicht anders verhält es sich mit der Herkunft von DattiSports. Unter den Monatsbin..äh..Missverständnissen das verbreitetste ist, dass es sich bei dem spiritus rector dieses Forums, dem Dattinger himself, um einen Mitmenschen, ein beleibtes Individuum - obwohl: beleibt, das irgendwie schon ... (lächelt verschmitzt) -, ein Wesen aus Fleisch und Blut handle. - Papperlapapp! Solche Nivellierung auf ein profanes Scheißerchen will er sich verbeten haben, der Dattinger! Nach seinem Selbstverständnis ist er eine Allegorie, eine überlebensgroße Projektion, ein Pin-up, das für ein Programm steht, für eine - ach, wenn der Begriff nur nicht so belastet wäre! - Bewegung. Das ist es: DattiSports soll uns bewegen.
 
CS: Begegnen können wir dem Dattinger demnach nicht auf der Straße, Begegnung mit ihm findet - wenn ich Sie richtig verstehe - ausschließlich in unseren Köpfen statt. Fällt dies aber angesichts der doch einigermaßen wahnwitzigen Inhalte, für die Ihre Person steht, nicht umso leichter, wenn es darin - im Kopf - gehörig piept?
 
KD: Des Wirken des Dattingers ist klandestin und doch von fassbarer Realität, bedient er sich doch eines Instruments, das mächtiger noch ist als alles andere: des Worts. "En arche", so der Apostel Johannes zu Anfang seiner Frohen Botschaft, "en arche o lógos". Im Anfang war das Wort. Und das Wort war bei Gott. Und Gott war das Wort usw. Hier verzettelt sich der gute Johannes dann ein wenig. Aber: Kann man deutlicher in einem Brennpunkt einfangen, klarer noch ausdrücken, worum es - nicht bloß hier - geht?
 
CS: Sie weichen aus. Noch einmal: Man wird den Eindruck nicht los, dass wir es beim Dattinger mit einem schizoiden Wanderprediger zu tun haben, der eine nicht minder abgespacedte Meute von Trotteln um sich schart. Welcher vernünftige Mensch radelt schon 1000 Kilometer am Stück?!
 
KD: Schauen Sie, Herr Redakteur: Ob „abgespaced“ - wie Sie es auszudrücken belieben - oder nicht, kann dahin gestellt bleiben. Entscheidend ist doch die Wirkung. Lassen Sie mich Ihr Beispiel aufgreifen:  das Radfahren, das der Dattinger mit dem IRON ASS zu einem megalomanen Dilettantismus der Extraklasse zu treiben vermochte. Unter uns: Im Grunde interessiert ihn der Scheißdreck gar nicht. Die Betätigung selbst ist austauschbar: ob Radfahren, Bergsteigen oder Baumstammwerfen ... egal. Fasziniert ist der Dattinger einzig von der Macht des Worts. Die Frage ist doch: Zu welchem Grenzgang kann man allein durch einen Gedanken, durch ein Wort motivieren? Was kann man dem Menschen allein durch Induktion von Begeisterung abverlangen? Und insofern darf der Dattinger heute schon sagen, dass er gewiss der penetranteste Spam-Mailer von hier bis Texas ist. Seine Wirkungsmacht ist wider allen Trutz durch den wahren Antichristen des Internet-Zeitalters, namentlich die Trash- und Junkmail-Funktion der diversen Mailverwaltungsprogramme, ungebrochen. Der Dattinger erreicht mit seinem Blödsi..äh..seiner Botschaft nicht wenige begeisterte Aktivisten und ein ungläubig staunendes Massenpublikum.
 
CS: (Huch, jetzt dreht er gleich völlig durch!) Sie fühlen sich demnach als Heiland?
 
KD: Heiland? Nein, das würde zu weit gehen. Aber Prophet, das in einem gewissen Sinne ja. Der Dattinger ist in dieser Zeit allgemeiner Haltlosigkeit einer der letzten Propheten gegen die Kleingläubigkeit. Und die ihm folgen, sind zwar Abweichler vom gesellschaftlich Erwarteten, aber nie ohne Beschäftigung, nie ohne Ziel, nie ohne Glauben.
 
CS: Herr Dattinger, einer muss es Ihnen sagen: Sie sind ein selbstherrlicher Monomane. Ganz ohne Rücksicht auf die Ihren haben Sie eine parafaschistoide Diktatur der Betätigungswut errichtet. Sie sind gleichsam der Osama Bin Laden des Freizeitterrorismus. Brauchen wir dieses Oktroy dulden?
 
KD: ... zu dulden ...
 
CS: Wie meinen?
 
KD: "Brauchen wir dieses Oktroy zu dulden?" Das Modalverb "brauchen" verlangt den Infinitiv mit "zu". Sie wissen ja: Wer "brauchen" ohne "zu" gebraucht, braucht "brauchen" gar nicht zu gebrauchen.
 

CS: (Arschloch!) Äh ... Gut, andere Frage: Herr Dattinger, wird es möglich sein, die Vorgabe des IRON ASS zu erfüllen, binnen 36 Stunden aus reiner Muskelkraft in Monaco anzukommen?

KD: Der Dattinger ist hierin durchaus zuversichtlich. Weniger für sich selber, aber für manche der angemeldeten Teilnehmer, finden sich doch darunter einige hochgradig durchgeknallte Fuzzis. Durchkommen und sich solcherart den "IRON ASS mit der rubinroten Rosette" erwerben werden nach des Dattingers Dafürhalten gewiss die Turnowsky Bros., Alex "The Machine" Hofer und die Mori Bros. - ceteris paribus naturgemäß, das heißt unter Abstraktion von unvorhergesehenen Ereignissen, wie technischem Schaden, Verletzungen, Krankheit und Ähnlichem. Für die Turnowskys - landesweit bekannte Kletterspezialisten - wird das ohnedies nur eine Art von Familienradwandertag, da das Streckenprofil weithin flach ist. Und der Hofer hält besonderes Training für eine solche Fahrt nach eigenen Angaben gar nicht für notwendig. Die Moris schließlich sind mit Ruhepulswerten weit unter 30 Schlägen je Minute wie geschaffen für die Langstrecke. Knallharte Jungs sind das allesamt. Immer für eine Überraschung gut sind DocBerti Krause und Franz Duller. Beim IRON ASS 2000 (Graz-Firenze) haben beide unbändige Stamina bewiesen. Alex Junior Szyszkowitz ist ein Vorzeigeathlet, aber auf der Langstrecke noch nicht bewährt. - Adretter Bursche der Junge übrigens, finden Sie nicht? - Egi-Baby Schwab hätte wahrlich das Zeug dazu, wird aber - wie üblich - bei Pontebba des Irrsi..äh..der Übergröße des Vorhabens auf fatale Weise gewahr werden und absteigen. Reini The Eagler ist ein bärenstarker Haxler, aber im extremen Non-stop-Bereich gleichsam noch ein unbeschriebenes Blatt. Das IRON ASS 1999 (Leben-Venezia), wo er glänzend reüssierte, hatte ja retrospektiv der sportlichen Belastung nach etwas von Dauerfernsehen. Gerald Puschl und der Dattinger himself sind die notorischen Anwärter auf den "Dattinger Award for Supporting Achievement". Mehr will ich dazu heute noch nicht sagen. 

CS: (Unglaublich, wie viele Schwachköpfe da mitmachen!) Hüstel .. Eine illustre Runde. Was denken sich diese Leute dabei?
 
KD: Nicht viel! Häh, häh. (grinst maliziös) Das überlassen die wem and'ren. (lacht heftig) Mir! (kreischt hysterisch)
 
CS: Ich bitte Sie, beruhigen Sie sich, Herr Dattinger!
 
KD: Har, har, har! (in konvulsivischen Zuckungen kaum noch zu flüssiger Rede fähig) Ist es ... nicht zum .... Schreien, dass man sich an diese Trotteln nur erinnern wird, weil ich, der Dattinger, sie auf diese Reise schicke!??
 
CS: Ihre Überheblichkeit ist obszön. Sind Sie nicht in Wahrheit - hinter Ihrer Maske - ein kleines Scheißerchen?
 
KD: (unversehens wieder ernst) Auf die annähernd gleiche Frage, die Ihr Kollege André Müller von der Hamburger "Zeit" 1995 Herrn Karl Lagerfeld stellte, antwortete dieser - nicht ohne mit dem obligaten Fächer zu wacheln - nur mit entwaffnender Ehrlichkeit: Ja, er trage eine Maske, er habe sie schon in früher Adoleszenz aufgesetzt und sie sei so Teil seiner Identität geworden, ein derart integraler Teil, dass er sie von der Person, die sich dahinter verberge, selbst nicht mehr zu unterscheiden vermöge. Auf die Nachfrage, worin denn sein Geheimnis läge, antwortete Lagerfeld, er sei im Grunde ein höchst banaler Mensch. Blaise Pascal: "Le mystère est le néant". Das Geheimnis ist das Nichts.
 
CS: Sie sind also in Wahrheit ein Niemand?
 
KD: Ich fürchte, so ist es. Ich bin ein Nichts, aber sagen Sie das nicht weiter. Berichten Sie lieber von der Größe meiner Botschaft: "We busted out of class, / had to get away from those fools, / we learned more from a three minute record, baby, / than we ever learned in school, /.../ no retreat, baby, no surrender,!" Bruce Springsteen, du Barde für Proleten, wie Recht du hast!

 

Beitrag nochmals vollständig durchgesehen im Dezember 2007. Lesen Sie das geschichtlich authentische Dokument hier!