DattiSports - DattiSports

 THE 

JOMOLUNGMA-PROJECT

HEADING FOR THE TOP OF THE WORLD

MONT BLANC

Europa, 4.807 m

(therefore still to go: 4.044 m)

 REPORT

 

      Wozu, in Gottes Namen, tun wir uns dieses Projekt wie auch die vielen anderen Maso-Vehikel an, wir von DattiSports - dieser Kamarilla wider das Kaffeehaussitzen? Wozu quälen wir uns so? Oft wurden uns derlei Fragen von extranen Beobachtern schon gestellt. Öfter noch stellten indes wir sie uns selbst auf dem diesem verdammten ersten Berg des JOMOLUNGMA-PROJECT. So früh schon, muss man sagen, ist er doch ein Zwerg im Vergleich zu den noch wartenden Riesen, an deren Ende JOMOLUNGMA steht, that woman, that takes your breath away!

Nach dem Abstieg vom Gipfel zum Basislager auf dem Gletscher, inmitten von viehischer Deshygiene und in totaler Erschöpfung, wusste einer, Don Geraldo, endlich doch die Antwort zu formulieren, die als Gedanke freilich ohnehin von allem Anfang an - wenn auch unbewusst - in uns schlummerte und gleichsam Lebensborn von DattiSports war: Nicht unser Ego treibt uns hier voran, es sind vielmehr unsere noch ungebornen Kinder, deren wir väterlich schon jetzt sorglich eingedenk sind. Ihrem Wohlergehen einzig gilt all unser Streben unter dem Dach von - nomen est omen - DattiSports. Ja, unsere Schimpansen mögen bewahrt bleiben vor aller niederträchtiger Anfechtung durch ihre Kindergartenkollegen. Ihr Vater soll stets obsiegen im dort üblichen lizitierenden Vergleich der Ahnen. Man kennt das ja: "Mein Papa ist tausendmillionenmilliardenmal stärker als deiner!" usw. Einmal soll diese kindliche Behauptung nicht kindisch sein, sondern einen Abglanz der Wahrhaftigkeit in sich bergen: "Mein Papa IST stärker!" Dies, wenn schon nicht in absoluten Kategorien, so doch wenigstens im Vergleich mit den anderen Wapplern. Und wirklich: Die andern Kinder werden lügen müssen, wollten sie ernstlich behaupten, ihre Väter seien mit dem Rad non-stop durch halb Europa geklescht oder hätten auf den höchsten Bergen der Erde ihren Wimpel gepflanzt! Besser sollen unsere Kinder es also haben als wir Eier des Vorschulalters, die wir unser Lebtag in den Arsch gefickt wurden, pardon l'expression. Unbeschädigt soll dagegen unsere Nachkommenschaft aus dieser so zarten Phase kindlicher Entwicklung hervorgehen. Das (und nichts anderes) ist die ebenso banale - wie man darf sagen - löbliche Motivation von DattiSportsDon Geraldo gilt freilich das Verdienst dafür, dass er so plan zu Ende dachte, WAS wir sind!

Da saßen sie nun, denn zu stehen vermochten sie kaum noch, die designierten liebenden Väter auf dem Punkt, der, so schien es wenigstens nach dem Augenmaß, der höchste ringsum, mehr noch: in ganz Europa, war. Die Höhenmesser zeigten exakt 4807 Meter. Kein Zweifel, der Schein trog nicht, dies hier war, obwohl nichts, kein von Menschenhand geschaffenes Zeichen, kein christliches Insignium es bezeugte, der Gipfel des MONT BLANC. 3800 Höhenmeter unter ihnen lag der Ausgangspunkt Chamonix, selbst schon auf 1000 Metern ü.d.M.

Hinter ihnen lag eine veritable Materialschlacht im doppelten Sinn. Zunächst: An Ausrüstung sollte es nicht mangeln. Man stürmte die einschlägigen Läden. Auf jeden Mann kam solcherart gut und gerne ein Expensar von 1500,- Euro versteht sich. Dies ging freilich noch sozusagen von leichter Hand. Das verdammte Geraffel rund 25 Kilogramm je Mann - aber auf diesen Berg hinaufzuschleppen, das sollte sich als die wahre Materialschlacht erweisen.

Vorbei sind nun alle (von dritter Seite induzierten) Selbstzweifel von wegen "Risikogruppe" und so. Man kann getrost sagen: Wir waren da oben, wenn schon die Deppen der Nation, so doch jedenfalls die Bestausgerüsteten. Gefeit wären wir gewesen, anders als manch anderer auf diesem Berg, vor jeder Katastrophe, mit der nach menschlichem Ermessen gerechnet werden konnte. Hier tummelten sich Spanier, Tschechen, Amerikaner, Deutsche und Franzosen und alle wären sie im Ernstfall verreckt, während wir in unseren Minus-40o-Celsius-Schlafsäcken fröhlich Karten getippelt hätten.

Auf knapp über 3850 Metern - also schon auf Glocknerhöhe - wurde das Basislager in Gestalt eines Zeltes auf dem Gletscher aufgeschlagen. Von dort aus blickte man etwa eben auf die Aiguille du Midi ("Südnadel") hinüber. Den "Weißen Berg" selbst konnte man noch gar nicht sehen, aber schon angesichts seiner Flanken wussten wir, dass der MONT BLANC seinen Namen zurecht trägt: ein makellos gleißender Schneeriese!

Unter uns: Der Weg schon in das Basislager gehörte wohl mit zum Härtesten, das wir Schwachköpfe uns je abverlangten. Eben noch auf 500 Metern Seehöhe (St. Gervais) stiegen wir am ersten Tag nach heißen 4 Stunden (sie!) Schlaf auf knapp unter 4000 Meter auf. Waaas für ein Schwaachsinn! Der auch bezahlt werden musste. War die Truppe auf 3200 Metern bei der Tete Rousse vor der mächtigen Flanke auf den Glacier du Goutier noch frohen Mutes, die Zeitangaben in der einschlägigen Literatur wie sonst üblich beinahe zu halbieren, sollten wir alsbald eines Besseren belehrt werden: Statt der programmierten 5 brauchten wir ganze 7 1/2 Stunden, davon allein 2 1/2 für die letzten 300 Höhenmeter!

Die Truppe hing in dieser Flanke, der Grat scheinbar zum Greifen nahe und doch unendlich weit. Wir kämpften buchstäblich um jeden Meter. Der Puls erreichte regelmäßig schon nach wenigen Tritten in dem steilen Gelände den roten Bereich. Die jeweils rund 25 Kilo Marschgepäck taten ihre Wirkung. Bald schon war klar, dass hier jeder für sich allein bestehen musste. Wir waren leer in jedem Wortsinne, oder besser gesagt: Teile von uns, begannen sich zu entleeren. Den Anfang machte hiebei auf etwa 3.200 Metern Don Geraldo, der dort unvermittelt - wie man in unseren wohlerzogenen Kreisen so schön onomatopoetisch sagt - mit Jörg zu telephonieren begann. Hallo, Jööörrgh! Mit anderen Worten: Der Mann kotzte sich die Seele aus dem Leib. Michael Heine und Reini Igler und hatten sich schon in eigener Seilschaft abgesetzt. Bloß: Praktisch die gesamte Flüssigkeit schleppten Don Geraldo und der Dattinger. So schrumpfte, was zunächst ein uneinholbarer Vorsprung war, nach und nach auf wenige Meter Abstand. Das Blut in den Adern der beiden wurde spürbar dick wie Tran. Reini blieb nichts anderes übrig, als dürstend der nachkommenden Sherpas zu harren.

Den Dattinger ereilte auf etwa 3600 Metern die Übelkeit. Recken nach jedem Schritt. Noch auf den letzten 10 Höhenmetern viermaliges Pausieren. Unendliche Müdigkeit. Kein Zweifel: Wir waren in der Todeszone des Burgenländers! Kaum oben angekommen: das nächste Telephonat mit Jörg. Herrlich!

Einzig Greg - der moralische und technische Führer dieser Besteigung - war souverän. Von diesem Mann, diesem Energiebündel, diesem Willensvollstrecker vor dem Herrn, prallten alle Unbilden ab wie von Teflon. In der Steilstufe nahm er seinem Bruder in rührender alttestamentarischer Philadelphia nach und nach beachtliche Teile seines Gepäcks ab. Man muss wissen: Dieser Betonschädel war schon einmal auf diesem Berg. Er hätte ihn also für das nicht noch einmal besteigen müssen. Er tat es gleichwohl. Und jetzt kommt's: Der Grund für diese Zweitbesteigung, über den er die längste Zeit schon rätselte, wurde dem Dattinger erst im Basislager - bezeichnenderweise von Don Geraldo (und nicht von Greg selbst, der es offenbar vorzog, darüber zu schweigen) offenbart: Diese nochmalige Besteigung war nötig, weil Grandpa Greg bei seiner ersten Besteigung in Begleitung seines (damals 60-jährigen) Dienstherrn war, der sich nach Gipfelsieg und Rückkehr zum Basislager für einen weiteren Abstieg ins Tal zu schwach fühlte und daher kurzerhand einen Helikopter bestellte, in welchem dann notgedrungen auch Greg zu Tal schwebte. Nu, das scheint noch kein Grund zu sein?! Oh doch! Für einen Mori schon. Ganz einfach: Die damalige Besteigung zählt nicht! Noch Fragen? Das ist DattiSports, wie ich es meine. Angeschossen waren sie freilich alle, als sie abends Zelt krochen. An einen Weiterstieg ab Mitternacht anders als zunächst geplant, nicht zu denken. Man beschloss, bis zum nächsten Morgen zuzuwarten.

Von wegen bestausgerüstet. Wegen der (allzu) kurzfristigen Absage von DocBerti samt Dani hatten wir lediglich ein Zelt, das seiner Beschreibung nach für drei Personen taugte. Mit gutem Willen fanden darin vier Mann Platz. Der Fünfte musste allerdings unter freiern Himmel übernachten. Außentemperatur: etwa 20° Celsius unter Null. Da bewährte sich der Mountain-Equipment-Schlafsack "Everest" um 1500,- DM von Michael Heine: Minus 40°Celsius-Komfort-Bereich! Der Kandidat machte gute Angaben über seine Nacht außerhalb des Zeltes. Das konnte er auch. Er tat nämlich kein Auge zu!

Am nächsten Morgen: Kopfschmerzen, aber einigermaßen ausgeruht. Der MONT BLANC ragt vor uns auf. Unvorstellbar, hier und jetzt aufzugeben. Abmarsch um 0830. Von da an bewährte sich die Willenskraft der Beteiligten. Auch der ausgesetzte Bossesgrat schreckte niemanden mehr. Dazu war das Hirn schon zu leer. Plangemäß erreichte die Gruppe um 13.30 Uhr des 23. Juli 2001 den Gipfel. Die Verfassung war insgesamt so gut, dass - anders als etwa beim IRON ASS 2k in Florenz nach 25 Stunden am Rad regelrecht Freude ausbrach. Des Dattingers publizistischer Wahn machte freilich auch dort oben nicht Halt: Per SMS wurde noch an Ort und Stelle die mehr oder weniger desinteressierte Öffentlichkeit informiert. Das wechselhafte Wetter riet bald schon zum Abstieg. Reini kaute noch verzweifelt an einern Müsliriegel, den er doch nur zur Hälfte wegbrachte. Der Magen verzeiht einem da oben aber auch wirklich nichts als Trockenbrot und Tee. Es ist eine Freude.

Während des Abstiegs fällt zwischendurch immer wieder Nebel ein. Das gibt einen deutlichen Eindruck davon, was am Berg passiert, wenn man nichts mehr sieht: Die Orientierungslosigkeit ist stupend. Gottlob lichtete sich der Nebel immer wieder. Dann Donnerschlag im Rücken, es beginnt zu graupeln. Immer noch auf 4.300 Metern. Den Lesern von Hans Kammerlanders "Bergsüchtig" wird etwas mulmig: Da war doch die Geschichte seines Freundes am Manaslu, Friedl Mutschenlechner, der nur wenige Meter von ihm entfernt am Seil vom Blitz erschlagen wurde. Nichts wie weiter. Entgegen kommen noch zwei einzelne Bergsteiger. Bitte, das ist die Risikogruppe, nicht wir! Aber bezeichnend: Wir machen keinerlei Anstalten, sie aufzuhalten. Schweigend gehen wir aneinander vorbei. Das gibt nachträglich zu denken. Sicher erreichen wir schließlich das Basislager. Alle einigermaßen gut drauf. Nur der Dattinger, dem ist wie üblich schlecht. (Ich sage nur: Burgenländer)

Die zweite Nacht im Zelt. Der Vergleich mit einer ostindischen Puffette wäre mittlerweile blanker Hohn für diese Institution. Die Sache beginnt zum (Zelt-)Himmel zu stinken. Aus unerfindlichen Gründen reißt sich nunmehr Reini um den Außenposten vor dem Zelt. Der rätliche Hinweis des Dattingers, dass niemand noch erstunken, gar mancher aber schon erfroren sei, verhallt ungehört. Reinis Bericht am nächsten Morgen gleicht jenem von Michael Heine: Man überlebt.

Dann der Abstieg über die Flanke hinunter zur Tete Rousse. Respekt. Viele stürzen dort zu Tode, weil Vorfreude aufs Tal und Ermüdung ihre Konzentration schwinden lässt. Durch das ganz unten zu querende Couloir rasen tatsächlich im Minutentakt faustgroße Steine zu Tal. Die Sonne sengt bereits auf den Berg, und das Geröll wird lose. Nur nicht unnötig aufhalten, heißt die Devise. Ständiger Blick bergan. Diese wahrscheinlich gefährlichste Passage wird zum Glück unbehelligt bestanden. Sicher erreicht endlich die Truppe das Tal.

Oh, JOMOLUNGMA, du Wonneweib, in unendliche Ferne scheinst Du uns gerückt, die wir beinahe schon auf halbem Wege zu dir scheiterten. Viel müssen wir noch lernen, bevor wir es wagen dürfen, vor dein Antlitz zu treten.

Das Projekt aber zieht weiter, geht in Afrika in seine zweite Runde: KILIMANDSCHARO (5.896 m). Größtes Augenmerk wird auf eine bessere Akklimatisierung zu legen sein. Nie mehr als 1000 Meter Höhenunterschied je Tag, go high sleep low und der ganze Rödel!

Einmal mehr konnte jedenfalls DattiSports, diese Institution, welche die Vaterschaft indogermanisch schon im Namen trägt, das Wohl unserer zukünftigen Söhne und Töchter gewährleisten.

 

Graz, am 05. August 2001 

Kurt Dattinger eh.

 

Beitrag nochmals vollständig durchgesehen im Dezember 2007. Lesen Sie das geschichtlich authentische Dokument hier!